EHRENMORD? EHRE? MORD!

Was bringt Männer dazu, Frauen zu töten? Haben diese Gewalttaten einen religiösen Hintergrund?
Nein, denn sogenannte Ehrenmorde werden nicht nur von traditionsbewussten Männern verübt. Auch westlich orientierte Männer begehen Morde an Frauen, die ihnen nahestehen. Man nennt es nur anders – Femizid.
Das Tatmotiv ist jedoch dasselbe: Besitzdenken und Eifersucht. Denn die Frau hat ihrer Auffassung nach nicht das Recht, für sich selbst zu entscheiden.

Diese Vorstellung von Ehrkultur entspricht patriarchalen Strukturen und nicht etwa religiösen Regelwerken. Es geht ihnen ausschließlich darum, Frauen zu unterdrücken und zu kontrollieren, um den Machterhalt willens.

Ungleichbehandlung und Unterdrückung sind kein Phänomen ferner Länder, sondern existieren auch hier, unter uns.

Um das Patriarchat als gängige Gesellschaftsform endlich zu beenden, müssen wir alle hinschauen und ins Handeln kommen.

Ein Verein, welcher gegen Unterdrückung im Namen der Ehre arbeitet, ist Heroes Deutschland. Dabei handelt es sich um ein feministisches Projekt der Jungenarbeit. Ihr Ziel ist es, ein Bewusstsein für Selbstbestimmung und Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen.

1. Frau Arnold, Sie sind die Projektleiterin der HEROES. Stellen Sie sich bitte vor.

Mein Name ist Rebecca Arnold, ich bin Bildungsreferentin an der IBJ Scheersberg, Jungenpädagogin und Projektleiterin von HEROES. Gemeinsam mit meinem Kollegen Alex Tetteyfio Bergfeld setze ich das Projekt im Kreis Schleswig-Flensburg um. Derzeit haben wir drei HEROES-Gruppen an drei verschiedenen Standorten.

2. Was können wir uns unter den Heroes vorstellen?

HEROES ist ein Projekt der geschlechterreflektierenden Jungenarbeit und ein Gleichstellungsprojekt. Ganz konkret ist das Projekt ein Möglichkeitsraum und ein Schutzraum für junge Männer mit internationaler Geschichte, in dem sie ihre eigene Position als Mann in der Gesellschaft, (tradierte) Rollenbilder und Ehrkonzepte reflektieren können. Gemeinsam entwickeln die Jungs Vorstellungen davon, welche Position sie in unserer Gesellschaft einnehmen möchten und machen sich stark gegen Sexismus, Rassismus und Unterdrückung von Frauen und Mädchen, die aus machtvollen Vorstellungen des Ehrbegriffs resultieren.

3. Was sind die Ziele des Projekts?

Wir glauben an eine Gesellschaft, in der jede:r die gleichen Rechte und Möglichkeiten hat, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, kulturellem Hintergrund oder ökonomischen Möglichkeiten.

Vordergründig leiden v.a. Mädchen und Frauen an patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und unterdrückerischen Ehrvorstellungen, Jungen und Männer hingegen genießen viele Freiheiten, ihnen werden Attribute wie Stärke, Durchsetzungsvermögen und Erfolg zugeschrieben. Doch auch ihre Rolle ist streng definiert. Patriarchale Strukturen engen Frauen und Männer in ähnlicher Weise ein und verhindern ein selbstbestimmtes Leben. HEROES bietet denjenigen jungen Männern einen Raum, die diese tradierten Rollenvorstellungen überwinden wollen. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Reflexion der Männerrolle im Kontext patriarchaler Strukturen mit dem Ziel, die jungen Männer dazu zu befähigen, diese Machtstrukturen zu reflektieren, sich davon zu distanzieren und Stellung zu beziehen.

4. Wie ist das Ausbildungsjahr der Heroes-Anwärter aufgebaut?

Über etwa ein Jahr treffen sich die Jungs zum wöchentlichen Training, um dort über Themen wie Männlichkeit, Diskriminierung, Identität, Rollenbilder und Gleichberechtigung zu sprechen. Denkweisen, Normen und Haltungen können kritisch hinterfragt werden. Das Projektteam begleitet die Jungs und unterstützt sie dabei, eigene Werte zu entwickeln und Stellung zu beziehen. Neben den Trainings finden Exkursionen und Reisen statt, die den informellen Austausch fördern und die Beziehung stärken. Am Ende der Trainingsphase haben die Jungs die Möglichkeit ein Zertifikat zu erhalten und in einem zweiten Schritt peer-to-peer Workshops zu geben.

5. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der geschlechterreflektierenden Jungenarbeit?

Jungenarbeit ist ein wichtiger und wertvoller Ansatz und schafft es, männliche Heranwachsende in ihren Suchbewegungen zu unterstützen und zu begleiten. Ich empfinde es als unerlässlich, auch in diesem Bereich intersektional zu denken und die Überschneidungslinien verschiedener Diversitätskategorien in den Blick zu nehmen. Nur mit einem rassismuskritischen-, vielfalts- und geschlechtersensiblen Blick können wir junge Menschen in unserer pluralisierten vielfältigen Gesellschaft adäquat begleiten.

Geschlechterreflektierendes Arbeiten ist eng verknüpft mit eigenen Vorstellungen von Geschlecht, eigenen Rollenerwartungen und Sozialisationserfahrungen, die in die pädagogische Arbeit einfließen,- hierfür benötigt es ein gutes Fort- und Weiterbildungsangebot für pädagogische Fachkräfte.

Jungenarbeit ist Beziehungsarbeit. Eine stabile langfristige Finanzierung ist unerlässlich, um nachhaltig wirksame und langfristige Angebote machen zu können.

Kontakt: https://heroes.scheersberg.de/
Instagram: heroes_schleswigflensburg